< zurück          Übersicht
 
vor >
 
Performance - Ich sehe was, was du nicht siehst
Zwei Menschen stehen Rücken an Rücken. Da jeder mit den Augen einen Winkel von 180 Grad erfassen kann, ergänzt sich das gemeinsame Sichtfeld auf eine vollständige Rundumsicht. Doch die Koppelung ist unvollständig, denn was der eine sieht, kann der andere nicht sehen und umgekehrt. Sie versuchen, das, was sie sehen, dem anderen in Worten mitzuteilen. Dies ist nur sehr grob möglich, die 5 Milliarden Seheindrücke, die das Auge pro Sekunde aufnimmt und dem Gehirn weiterleitet, sind nicht annähernd in Worte zu fassen. Möglich wäre es beispielsweise, vor einer lebensbedrohenden Gefahr zu warnen („Tiger im Ansprung“). Fast alles andere wäre irrelevant.

Obwohl wir unser Leben lang immer nur die eine Hälfte der Welt sehen können, haben wir nicht das Gefühl einer Unvollständigkeit. Wenn wir sehen wollen, was hinter uns ist, drehen wir einfach den Kopf. Der Raum um uns bleibt dabei stehen - ganz im Gegensatz zu einer Kameradrehung beim Film. Eine wahre Meisterleistung unseres Realitätssimulators, dem Gehirn.

Was wäre, wenn sich ein Teil der Welt hinter (z.B. unser Hinterkopf) uns mit unserer Kopfdrehung mitdrehen würde, und wir sie dann immer noch nicht beobachten könnten? Sie würden sagen, dann nehme ich einfach einen Spiegel. Aber was ist dann hinter dem Spiegel?
Was wäre, wenn der vor uns befindliche Teil der Welt, der für uns als statisch wahrgenommen wird, in dem Moment der Kopfdrehung mal kurz verschwinden würde, um bei der Rückdrehung gleich wieder da zu sein? Ein zweiter Beobachter könnte uns dies mitteilen oder auch verschweigen. Denn dieser Beobachter ist ein anderer eigenständiger Mensch und hat möglicherweise andere Kriterien, nach denen er die Welt wahrnimmt und Aussagen darüber macht. Selbstverständlich werden Sie sagen, solch ein Ereignis ist nicht möglich. Aus unserer Lebenserfahrung setzen wir voraus, dass die Welt immer konsistent bleibt. Das heißt, Dinge verschwinden nicht einfach, wenn wir wegschauen. Sollte uns dies tatsächlich einmal passieren, so suchen wir sofort nach natürlichen Ursachen. Oder wir zweifeln an unserer Beobachtung. Aber wir zweifeln niemals an der Konsistenz der Welt. Es gibt auch Bereiche im Leben, in denen dies nicht mehr gelten muss: zum Beispiel in der Quantentheorie oder im Film. Beides sind wieder Simulationsapparate, Modelle.

In der Performance machen wir auf diese Dinge aufmerksam und versuchen, dies den Besuchern weiter zu geben. Auch sind die Besucher eingeladen, selbst mitzumachen und das Gefühl zu erleben, nur die halbe Welt zu sehen und in Bezug auf die andere Hälfte von Aussagen eines zweiten Beobachters abhängig zu sein.

 
Druckversion (PDF)